Auctoritas facit legem?

Auctoritas facit legem?

Macht und Recht(e)

Nach langem Warten, gab es für mich Anfang des Jahres die Dokumentation der diesjährigen SchülerAkademie in Torgelow, an welcher ich vom 12. bis zum 28. Juni 2018, also kurz vor den Sommerferien, teilgenommen habe.

 

Was ist die SchülerAkademie überhaupt?

Die Deutsche SchülerAkademie (DSA) wird von „Bildung und Begabung“, dem Zentrum für Begabtenförderung in Deutschland, dessen Förderer das Bundesministerium für Bildung und Forschung darstellt, getragen. Jedes Jahr bekommen ca. 900 Schüler aus ganz Deutschland sowie von deutschen Schulen im Ausland die Möglichkeit, an einer 16-tägigen Sommerakademie teilzunehmen. Mit der DSA verfolgt „Bildung und Begabung“ das Ziel, Schüler und Schülerinnen eine intellektuelle und soziale Herausforderung zu bieten, sie in ihren besonderen Fähigkeiten zu fördern und unter Anleitung von qualifizierten Lehrkräften an anspruchsvollen Aufgaben und Projekten arbeiten zu lassen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen neue Arbeitsweisen, Methoden und Denkansätze kennen, blicken über den Horizont ihrer bisherigen Lebens- und Erfahrungswelt hinaus und werden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit herangeführt. Je nach Interesse können sich die ausgewählten Schüler für Kurse aller Fach- und Themenbereichen bewerben.

Mein Kurswunsch „Auctoritas facit legem? – Macht und Recht(e)“ führte mich nach Mecklenburg-Vorpommern ins Internatsgymnasium Torgelow, welches sich im Schloss Torgelow direkt am Torgelower See befindet, und wo neben dem rechtswissenschaftlichen Kurs auch noch 5 weitere Gruppen („Lineare Optimierung – Von Hyperebenen zum Chipdesign“; „Wie das Chaos in die Welt kommt“; „Evolutionsbiologie von Darwin bis heute“; „Grenzen“ und „Phantom der Schönheit. Venedig in Kunst und Literatur“) untergebracht waren.

 

 

Wie sah der Alltag auf der DSA aus?

Zählt man die insgesamt 90 Teilnehmer und deren 20 Kurs- und Akademieleiter zusammen, kommt man auf 110 Beteiligte. Selbige trafen sich jeden Morgen im Plenum, wo Organisatorisches besprochen und gemeinsam in den Tag gestartet wurde. Neben der Kursarbeit, welche insgesamt circa 105 Stunden einnahm, fanden tagsüber und bis spät in der Nacht sogenannte Kursübergreifende Angebote statt, welche von einem oder mehreren Teilnehmern selbst organisiert wurden. Von Philosophie, Altgriechisch, Japanisch über Operngesang, Origami und Improvisationstheater war bis zu Fitness, Speed-Dating und Party alles dabei. Am sogenannten „Routinetag“ durchwanderte jede Kursgemeinschaft alle Arbeitsräume der anderen Kurse, wo jeweils eine interaktive Einführung in deren Thema bzw. Fragestellung vorbereitet wurde. Darüber hinaus verbrachte unser „Jura-Kurs“ einen Tag zusammen mit dem Politik-Kurs „Grenzen“, der sich mit der Festsetzung staatlichen Territoriums beschäftigte. In besagter Kooperation untersuchten wir den Nah-Ost-Konflikt unter Einbezug sowohl politischen als auch juristischen Know-Hows auf der Basis des Völkerrechts. Für weitere wertvolle Eindrücke sorgten die Exkursionen ins Max-Planck-Institut nach Rostock und ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.

Das Werk aller Beteiligten wurde am Ende in der sogenannten „Doku“ – ein Buch mit den wissenschaftlichen Berichten aller Kurse als auch Berichten über genannte Freizeitveranstaltungen –  zusammengefasst, welches in Bonn gelayoutet wurde und nun zu Jahresbeginn bei mir im Briefkasten lag.

 

Was hatte es mit meinem Kursthema „Auctoritas facit legem?“ auf sich?

Mit der Herausbildung des modernen Staates in der frühen Neuzeit gingen eine Ausdifferenzierung des Rechts sowie die Entwicklung einer institutionalisierten Rechtspflege einher. Es entstanden Gesetzbücher und Gerichte, die zunehmend hoheitliche Strafverfolgung und Ordnungs-Fürsorge „von Amts wegen“ betrieben. In der sogenannten Aufklärung wies man dann dem geschriebenen Gesetz – und den immer stärker geforderten Verfassungen – die Aufgabe zu, die Freiheiten des Einzelnen gegen den Machtanspruch des Staates zu sichern. Im liberalen Rechtsdenken des 19. Jahrhunderts galt das Recht als zuverlässiger Vermittler zwischen den Antipoden „Staat“ und „Bürger“. In den totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts wurde das Recht dann dieser Funktion beraubt und degenerierte z.B. in der NS-Diktatur zu einem Instrument, um ganze Menschengruppen systematisch zu entrechten und den Terror gegen sie zu organisieren – bis hin zur Ermordung. Im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik wird vom staatlichen Recht gefordert, dass es demokratisch legitimiert und hinreichend bestimmt sei und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Menschenwürde in die Rechte der Individuen eingreife. Die neue Rechtsgeschichte offenbart demnach ein Pendeln zwischen zwei Perspektiven: 1. Recht ist ein Instrument zur Organisation und Durchsetzung von Staatsgewalt. 2. Staatsgewalt wird durch Recht überhaupt erst begründet, ausgestaltet, legitimiert und begrenzt.

Wir begannen unseren Kurs mit einem Blick in die Abgründe des nationalsozialistischen Rechtsdenkens: Anhand zeitgenössischer Gesetze und rechtswissenschaftlicher Texte (Carl Schmitt) untersuchten wir die Aushöhlung grundlegender Verfahrensrechte durch geschriebenes Recht und den Wegfall aller Sicherungen, wenn der Wille des Führers als Rechtsquelle an sich an die Stelle geschriebener Gesetze tritt.

Nachdem wir Gegenstand und Methoden rechtswissenschaftlichen Arbeitens reflektiert hatten, diskutierten wir anhand ausgewählter Schlüsseltexte zur Staatsrechtslehre (Locke, Hobbes, Jellinek, Schmitt, Kelsen, Böckenförde) Ideen und Theorien zur Entstehung von Staat und Recht und zur Frage, inwiefern der Staat oder der Souverän an sein eigenes Recht gebunden sein kann.

Parallel dazu beschäftigten wir uns mit ausgewählten Problemen des aktuellen deutschen Straf- und Strafverfahrensrechts. Hier musste das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Straftaten gegen Grundrechte der Betroffenen abgewogen werden. In Anbetracht des Kategorischen Imperativs nach Kant stellten wir fest: In unserer Rechtsordnung stellt die Menschenwürde eine Grenze da, die nicht überschritten werden darf, was bedeutet, dass kein öffentliches Interesse es rechtfertigen kann, einen Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen. (Cora Pfeiffer JG2)